Fuchsforschung: Stress

Fuchsforschung: Stress2019-01-14T11:46:38+00:00

Project Description

Der ganz normale Trubel

Der Rotfuchs ist schon vielfach Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen gewesen. Seine ökologische Funktion als generalistischer Beutegreifer in Bezug auf seine Beutetiere, sein Verhalten und auch seine Funktion als Träger und Vektor von Parasiten und Krankheitserregern wurden und werden in zahlreichen Fachartikeln, populärwissenschaftlichen Arbeiten und ebenso in qualtitätsfreien Internet- und Zeitungsartikeln beschrieben.

Was kostet die Freiheit?
Zunehmend, auch vor dem Hintergrund strenger Tierschutzgesetze diskutiert, jedoch bisher kaum erforscht, sind Fragen zum Stress bei Wildtieren und so auch beim Rotfuchs. Welche Situation im Leben eines Fuchses oder auch eines anderen Tiers mit dem Zustand „Stress“ beschrieben werden kann und ob und in welcher Intensität ein solcher Zustand durch äußere Einwirkungen (z.B. Aktivitäten des Menschen, Krankheiten, Fortpflanzung, inter- und intraspezifische Interaktion etc.) hervorgerufen wird, kann derzeit nicht beantwortet werden. Zur Quantifizierung von Stress hat sich die Bestimmung des Cortisol-Gehalts im Blut etabliert, was jedoch bei Wildtieren ohne Weiteres nicht möglich ist.

In der geplanten Studie der Game Conservancy Deutschland (GCD) soll der Stresslevel bei Füchsen in der freien Wildbahn mit trainierten Füchsen in der Schliefenanlage verglichen werden. Bei den Wildfüchsen werden unter Vorgaben zur Art der Erlegung Proben von frisch verendeten Individuen entnommen. Eine Stichprobe soll in den Sommermonaten nach der Jungenaufzucht und eine zweite im Winter gezogen werden. Somit sollen zwei sehr unterschiedliche Lebenssituationen bezüglich des Stresslevels normiert werden, um diese Proben dann im Vergleich zu dem Stesslevel bei Gehegefüchsen einzuordnen. Die Arbeit wird in Kooperation mit dem Land Sachsen-Anhalt durchgeführt und ist durch die Jagdabgabe des Landes Sachsen-Anhalt gefördert. Die wissenschaftliche Bearbeitung des Projekts erfolgt in Kooperation mit dem Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) der Veterinärmedizinischen Universität Wien.

Schliefenanlagen
Die Ausbildung von Erdhunden wird in Deutschland nach wie vor in sogenannten Schliefenanlagen praktiziert. Die Schliefenanlage stellt ein künstliches Röhrensystem dar, das einem Fuchsbau nachempfunden ist. Der Hund muss sich selbstständig und in Dunkelheit in diesem Höhlensystem orientieren können und ohne Scheu den künstlichen Bau annehmen. Um einen realen Einsatz unter jagdlichen Bedingungen besser nachzustellen, wird vor dem Einschliefen des Erdhunds ein trainierter, handzahmer Fuchs durch die Schliefenanlage geschickt. Der Fuchs durchläuft den Bau bis zum Ende, wo er in einem Kessel Platz zum Liegen hat. Bei Eintreten des Fuchses in den Kessel wird hier ein Schieber betätigt, der garantiert, dass der später in den Bau gelassene Hund keinen direkten Kontakt zum Fuchs haben kann. Beide Teile des Kessels können getrennt geöffnet werden, und sowohl der Hund als auch der zahme Fuchs können durch den Betreuer bzw. den Hundeführer herausgehoben werden.

Schliefenanlagen müssen heutzutage hohe Sicherheitsauflagen erfüllen, und insbesondere werden hohe tierschutzrechtliche Anforderungen an die Haltungsbedingungen der Füchse gestellt. Die Gehege müssen ausreichend groß und abwechslungsreich strukturiert sein, und es müssen künstliche Höhlen vorhanden sein. Nach groben Schätzungen sind in Deutschland etwa 80 bis 100 solcher Anlagen in Betrieb. Der Betrieb von Schliefenanlagen und das Training der Hunde in der Schliefenanlage können als eine wesentliche Voraussetzung für die Bestätigung der jagdlichen Brauchbarkeit von Erdhunden gelten. Weiterhin ermöglicht die hier unter kontrollierten Bedingungen mögliche Verhaltensauslese der Hunde die dringend erforderliche Beurteilung der Zuchttauglichkeit von Hunden. Über die Maßen aggressive wie auch lethargische oder ängstliche Hunde können hier sicher erkannt und von der weiteren Zucht ausgeschlossen werden.

Auch unter Einhaltung der hohen Haltungsanforderungen und dem umsichtigen Betrieb der Schliefenanlage bleibt die Frage der Stressbelastung der Füchse unter den Bedingungen eines Trainingseinsatzes mit dem Erdhund in der Schliefenanlage. Sollte diese Tätigkeit des Fuchses einen übernatürlich hohen Stresslevel verursachen, wäre die Methode aus Tierschutzgründen auf ihre Zulässigkeit zu hinterfragen. Sollte bei den eingesetzten Schliefenfüchsen ein erhöhter Stresslevel nachgewiesen werden können, gilt es darüber hinaus die Frage zu klären, welche Zeit zur Erholung dem Fuchs zu gewähren ist, dass er sich wieder auf ein normales Stressniveau eingestellt hat.

Versuchsaufbau
Nach intensiven Literaturrecherchen existieren derzeit keine wissenschaftlich publizierten Studien über die Stressbelastung von Füchsen in Schliefenanlagen oder von in Gefangenschaft gehaltenen Individuen der Art. Auch liegen keinerlei Erkenntnisse über den natürlichen Stresslevel von Füchsen vor. Möglicherweise ist dies darauf zurückzuführen, dass die Methoden zur Bestimmung des Cortisollevels bzw. dessen Metaboliten bei Wildtieren recht neu sind und die Beschaffung von geeignetem Probenmaterial ohne jagdlichen Zugang sehr schwierig ist. So erfordert auch die Probenahme selbst einen geschulten Umgang mit bestimmten Laborutensilien und Geräten.

Aus einem Gutachten von Zimen (1999), das im Auftrag des Deutschen Jagdterrier Clubs e.V. gefertigt wurde, ist als Zitat eine Studie von Prof. Marc Artois, vormals Universität Nancy, erwähnt, im Rahmen derer die Herzfrequenz von Füchsen in Schliefenanlagen gemessen worden sein soll. Nach Rückfrage bei Prof. Artois konnte die Originalarbeit, die vermutlich in den 1990er Jahren entstanden ist, allerdings nicht mehr aufgefunden werden. Berichtet wird zu dieser Arbeit durch Zimen (1999), dass sich die Herzfrequenz der Füchse beim normalen Laufen in der Schliefenanlage statistisch nicht von jener Herzfrequenz unterscheidet, wenn der Hund in die Anlage gelassen wird. Angenommen wird, dass die Herzfrequenz einen indirekten Hinweis auf eine Stresssituation darstellt, was grundsätzlich plausibel ist, jedoch die Herzfrequenz sich auch durch Ruhen oder Bewegung stetig verändert, was nicht mit Stress in Verbindung zu bringen ist.

Schwache Datenlage
Um tatsächlich Hinweise auf eine unmittelbare Stresssituation bei Füchsen zu erhalten, dürfte nach aktuellem wissenschaftlichem Kenntnisstand im Wesentlichen der Nachweis des Cortisols im Blut die zielführende Methodik darstellen. Cortisolgehalte aus anderen Proben wie Kot oder Haaren beschreiben eher zurückliegende Stresssituationen, die jedoch nicht mit der unmittelbaren Gegenwart in Zusammenhang stehen können. Dennoch sollten zur Nivellierung eines Basisstresslevels bei Füchsen auch Proben von Haaren in statistisch relevanter Größe (n = 30) untersucht werden, um eine Vergleichsmöglichkeit mit den Konzentrationen im Blut zu erhalten. Es ist davon auszugehen, dass die Stressanzeiger bei Füchsen im Jahresgang sehr variieren. Jungenaufzucht, Ranzzeit und so weiter stellen für die Individuen sicher Sondersituationen dar, die sich auch in erhöhtem Stresslevel darstellen könnten. Trotz solcher potenziell stresserhöhenden Rahmenbedingungen müssen die dann gemessenen Levels als natürlich angesehen werden. Ziel sollte es folglich sein, die natürlichen Stresspotenziale zu beschreiben und die konkrete Situation in der Schliefenanlage in diesem Gesamtkontext einordnen zu können. Für die Probenahme von Wildfüchsen sollten zwei jahreszeitlich gut differenzierbare Perioden ausgewählt werden. Ein Zeitraum soll im Spätsommer nach der Aufzucht der Jungen liegen, da hier auch aufgrund der guten Fraßverfügbarkeit ein tendenziell geringer Stresslevel zu erwarten ist. Eine zweite Probenahme soll im Dezember und Januar stattfinden. Gegebenenfalls könnten hier Fraßengpässe angenommen werden, aber vor allem dürften die innerartlichen Auseinandersetzungen aufgrund der Fortpflanzungszeit höhere Anspannungen erwarten lassen.

Mit diesen Basisdaten sollte es gelingen, Stress bei Füchsen im natürlichen Schwankungsbereich einstufen zu können, so dass die potenzielle Belastung der handzahmen Füchse im Routinebetrieb einer Schliefenanlage quantifiziert, aber vor allem qualifiziert werden kann.

Ein trainierter Fuchs wird aus dem künstlichen Kessel einer Schliefenanlage geholt. Er ist so angelegt, dass es keinen direkten Kontakt zwischem dem zahmen Rotrock und dem Bauhund geben kann. (Foto: DJV)

Versuchsdurchführung
Neben den Beprobungen der Füchse in der Schliefenanlage sollen auch wilde Individuen beprobt werden. Im Winterhalbjahr sollen zwischen Dezember und Januar etwa 30 Füchse durch einen unmittelbar tödlichen Kugelschuss aus der Distanz beprobt werden. Die Füchse sollen keinerlei Witterung vom Schützen aufnehmen können, und es werden auch nur vom Ansitz erlegte Füchse in die Untersuchung einbezogen. Mit diesen Probenahmevoraussetzungen soll möglichst ausgeschlossen werden, dass der Stresslevel bereits durch die unmittelbar anstehende und vom Fuchs gewitterte Gefahrensituation in die Höhe schnellt. Nach gleichem Verfahren sollen etwa 30 weitere Füchse im Sommer ab August erlegt werden. Von allen erlegten Füchsen sollen möglichst rasch nach dem Schuss Blutproben entnommen werden. Hierzu werden einige Fuchsjäger besonders geschult, dass eine systematische und reproduzierbare Beprobung realisiert werden kann. Die Blutproben werden nach der Entnahme zeitnah zentrifugiert, pipettiert und eingefroren. Entsprechende Materialien werden bereitgestellt.

Einige Deckhaare werden gesondert in je einem Röhrchen mit Pufferlösung gesichert. Die Füchse in den Schliefenanlagen werden durch einen örtlichen Tierarzt betreut und es werden nach bisherigem Kenntnisstand etwa acht bis zwölf Füchse in Schliefenanlagen in Sachsen-Anhalt gehalten. Mit den Betreuern der Schliefenanlage und dem Tierarzt wird ein Probennahmeplan besprochen. Zunächst werden die Füchse an die Blutentnahme gewöhnt, um den dadurch entstehenden anfänglichen Stress zu minimieren. Außerdem dienen diese Blutproben, um den jeweiligen Fuchs individuell zu charakterisieren, da zu erwarten steht, dass individuelle Variationen vorkommen werden und der spezifische Cortisolgehalt im Blut dadurch kalibriert werden kann. Nach der Trainingsphase wird den Füchsen vor und nach dem Einsatz in der Schliefenanlage Blut entnommen, um in ggf. Veränderungen aufzuzeigen. Es werden Testläufe mit und ohne Hund durchgeführt, um vergleichend die potenzielle Stresssteigerung zu erfassen. Eine weitere Testserie wird die Entwicklung des Cortisollevels nach dem Einsatz mit Hund in der Schliefenanlage untersuchen. Es werden Proben unmittelbar nach Entnahme des Fuchses aus der Anlage entnommen und dann zunächst in zwei 30minütigen Intervallen. Nach den ersten Auswertungen werden dann ggf. weitere Blutentnahmen angehängt, wenn der Cortisollevel auch nach einer Stunde Wartezeit deutlich überdurchschnittlich sein sollte.

Diskussionsgrundlagen

Die Untersuchung wird bei erfolgreichem Abschluss die erste Arbeit darstellen, die in Diskussionen um Verbotsanträgen von Schliefenanlagen wissenschaftliche Daten liefern kann. Die hier in Sachsen-Anhalt initiierte Arbeit wird damit einen wesentlichen Beitrag zur künftigen Ausbildung der Erdhunde in Schliefenanlagen leisten und vor allem die unqualifizierten und moralistischen Diskussionen insbesondere mancher Tierrechts- und Tierschutzgruppen beenden.

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