Feldhasentelemetrie im Nördlinger Ries

Feldhasentelemetrie im Nördlinger Ries2018-12-28T13:04:19+00:00

Project Description

Der Verlust hat viele Ursachen

Vorbemerkung und exemplarischer Blick auf die Jagdstrecken in Bayern

Betrachtet man die Niederwildstrecken Deutschlands und im Speziellen die von Bayern der vergangenen Jahrzehnte, wird offenkundig, dass die Veränderungen in den Ökosystemen zu sehr unterschiedlichen Reaktionen bei den Wildtierpopulationen geführt haben. Während durch Anpassung, verbesserte Nahrungsverfügbarkeit, günstige klimatische Verhältnisse und dem durch flächendeckende Immunisierung erwirkten Wegfall von Krankheiten, was insbesondere für die Tollwut gilt, manche Niederwildarten, vornehmlich aus der zoologischen Ordnung der Fleischfresser, enorme Populationszuwächse realisieren konnten, zeichnet sich für viele pflanzenfressende Arten unserer Offen- und Halboffenlandschaft ein negativer Trend ab. Unter den Gewinnern des Kulturlandschaftswandels sind es vornehmlich generalistische Beutegreifer und Allesfresser, denen manche Veränderung entgegen kommt und nicht zuletzt profitieren sie nachhaltig von jagdrechtlichen Einschränkungen der Bejagungsmöglichkeiten und einem reduzierten Engagement von Jägern in der Fläche in Bezug auf die Intensität der Bejagung von Raubwild. Wo Schalenwild sich stark vermehrt hat und auch zur Schadensabwehr viele zeitaufwändige jagdliche Einsätze erforderlich werden, ist Zeit für Niederwildhege und Raubwildbejagung ein knappes Gut geworden. Viele Faktoren haben sich im systemischen Zusammenwirken, ohne im Folgenden eine vollständige Auflistung zu verfassen, positiv auf die Populationsgrößen von Fuchs, Steinmarder, Dachs, Krähenvögeln und auch manchen Taggreifen und Eulen ausgewirkt.

Der Anstieg generalistischer Beutegreifer im System hat dabei die populationsdynamische Ausgangslage beispielsweise für Bodenbrüter und Feldhasen weiter verschlechtert, die aufgrund ihrer Habitatansprüche ohnehin durch die veränderte Kulturlandschaft und deren Bewirtschaftung in zunehmendem Maße in Bedrängnis geraten sind. Die Darstellungen der Jagdstrecken, die als wichtiger Datenpool retrospektive Analysen zulassen, zeigen deutlich, dass spätestens seit den frühen 1980er Jahren signifikante Rückgänge beispielsweise bei Feldhase und Fasan eingetreten sind. Exemplarisch sollen die Jagdstrecken für Bayern, die streng korreliert mit denen anderer deutscher Bundesländer verlaufen, näher betrachtet werden. Da die Telemetriestudie der Game Conservancy Deutschland im Bayrischen Nördlinger Ries durchgeführt wird, hat die auf Landesebene regionalisierte Streckenauswertung einen engeren Raumbezug als eine bundesweite Betrachtung der Wildnachweisungsdaten.

Negativer Trend der Strecken

Nach 1978 hat sich z.B. beim Feldhasen ein Jagdstreckeniveau von ca. 120.000 erlegten Hasen pro Jagdjahr eingestellt, welches in den Jahren zuvor bei etwa 220.000 lag. In vergleichbarer Weise haben sich die Jagdstrecken des Fasans entwickelt. Eine Korrelation der Jagdstrecken Hase und Fasan in den Jagdjahren 1969/70 bis 2010/11 weist ein hochsignifikantes Ergebnis (n=42; p<0,001) aus, was bedeutet, dass diese beiden Niederwildarten ökologisch vergleichbare Ansprüche an den Lebensraum stellen und auch jagdlich in vergleichbarer Weise genutzt werden. Im Klartext ist daraus zu folgern, dass Maßnahmen, die dem Hasen zu Gute kommen auch für den Fasan positive Effekte nach sich ziehen.

Die lange Zeitreihe weist grundsätzlich einen negativen Trend der Jagdstrecken aus, der jedoch nicht gleichmäßig abläuft, sondern in mehrere Abschnitte zu unterteilen ist. Zwei Zeitblöcke bilden, wie bereits angedeutet, die Daten bis 1977/78 und im weiteren Verlauf die Daten von 1978/79 bis heute. Nach dem Jagdjahr 1974/75 folgen fünf Jahre in Folge teilweise erhebliche Absenkungen der Jagdstrecken und seit den frühen 1980er Jahren konnte sich die Strecke zwar wieder erholen, jedoch stagniert sie bei den für Hasen typischen jährlichen Variationen bis in die Gegenwart statistisch gesehen auf einem deutlich niedrigeren Niveau. In der aktuellen Phase, die fünf letzten Jagdjahre betrachtend, deutet sich ein vergleichbarer Prozess an, wie er gegen Ende der 1970er stattgefunden hat. Sollten in den nächsten beiden Jahren keine deutlichen Signale für einen Populationsanstieg erfolgen, ist damit zu rechnen, dass die Feldhasenpopulation in Bayern und damit auch in anderen Regionen Deutschlands, einen deutlich erniedrigten neuen Populationslevel erreichen wird. Nach aktueller Datenlage und in Kenntnis des deutlichen Strukturwandels in der Landschaft, ist zu befürchten, dass der Prozess eines erneuten Absinkens der Hasenpopulationsdichten tatsächlich in Gang gesetzt ist. Der Aufschwung der Hasenzahlen auf das Niveau der letzten drei Jahrzehnte wird dann immer unwahrscheinlicher, zumal die Rückgänge nicht unmittelbar mit klimatischen Ereignissen in Verbindung gebracht werden können.

Feldhasentelemetrie und Gesundheitszustand des Feldhasen im Nördlinger Ries
Auf Initiative der Game Conservancy Deutschland und der Fürstlichen Verwaltung zu Oettingen-Spielberg konnte im Jahr 2011 im Nördlinger Ries bereits mit einer wissenschaftlichen Studie begonnen werden, die sich zentral mit der Ökologie des Feldhasen befasst. Hierzu war vorgesehen, dass zunächst adulte Feldhasen mit VHF-Halsbandsendern ausgestattet werden.

Neben der radiotelemetrischen Untersuchung zum Raum-Zeit-Verhalten der Hasen konnten im Oktober 2011 insgesamt 52 Feldhasen an zwei Jagdtagen entnommen und in Kooperation mit der Veterinärmedizinischen Universität Wien, Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie, untersucht werden. Die Laboruntersuchungen haben einige wichtige Resultate liefern können, deren abschließende Bewertung jedoch erst durch weitere Referenzproben abgesichert werden kann.

Streifgebiete der besenderten Hasen im Revier Munningen.
Streifgebiete der besenderten Hasen im Revier Heuberg.

Gesundheitsstatus
Die Gewichte der Tiere lagen zwischen 2,22 Kilogramm und 4,70 Kilogramm. Es handelte sich um 28 weibliche und 24 männliche Tiere. Mittels Stroh’schem Zeichen und Linsengewicht konnten neun subadulte weibliche und neun subadulte männliche Tiere nachgewiesen werden. Der Junghasenanteil (diesjährige Hasen) in der Jagdstrecke liegt damit bei ca. 33 Prozent.

Nach der Probennahme vor Ort wurden folgende weiterführende Untersuchungen am Institut für Wildtierkunde und Ökologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien eingeleitet bzw. durchgeführt: parasitologische, bakteriologische, pathohistologische, virologische und genetische Untersuchung, Färbung zum Nachweis vorhandener Uterusnarben.

Bei 51 Tieren wurde eine parasitologische Untersuchung durchgeführt. Kokzidien (Eimeria spec.) konnten in 21 Fällen in großen Mengen, in fünf Fällen in mittelgradigen Mengen und in 24 Fällen in geringen Mengen festgestellt werden. Nur ein Tier hatte keine Kokzidien im Darmtrakt. Die Kokzidien befallen vorwiegend den Magen-Darm-Trakt und bewirken je nach Befallsstärke starken Durchfall, und können somit eine Erkrankung an anderen Infektionskrankheiten fördern. Der Kokzidienbefall kann ohne Behandlung bei geschwächten Tieren und insbesondere auch bei Jungtieren tödlich verlaufen. Neben den einzelligen Kokzidien wurden Fadenwürmer (Trichostrongyliden) bei zehn Tieren in großen Mengen, in sieben Fällen in mittelgradigen Mengen, und in 21 in geringgradigen Mengen nachgewiesen werden. Sie befallen überwiegend den Dünndarm. Die Eier dieses Parasiten werden mit dem Kot ausgeschieden, die Entwicklung der Larven findet im Freien statt. Nach etwa zwei Wochen sind die Larven infektiös Die Parasiten können einen schleimigen bis wässerigen Durchfall mit schwerwiegender Schädigung der Dünndarmzotten erzeugen. Dies führt zu Mattigkeit, fortschreitender Abmagerung durch Eiweiß- und Nährstoffverlust und schließlich zum Tode des Tieres. Weitere Detailergebnisse können an dieser Stelle nicht ausgeführt werden, jedoch ist festzuhalten, dass etwa zwei Drittel der äußerlich gesund erscheinenden Feldhasen einen mittelgradigen bis hochgradigen Befall von Parasiten aufweisen.

Neben der Bestimmung von Parasiten erfolgte eine bakteriologische Untersuchung an insgesamt 49 Darmstücken. Echerichia coli (E. coli) konnte bei elf Hasen in großen Mengen, bei sechs Tieren in mittleren, bei weiteren sechs Tieren in geringgradigen Mengen und bei drei Hasen vereinzelt isoliert werden. Das stäbchenförmige Bakterium gehört zur Gruppe der Enterobacteriaceen und kann sich bei Schädigungen in Darmabschnitten vermehren, in denen er üblicherweise nicht vorkommt und zu heftigen Darmentzündungen führen. Neben weiteren Bakterien, die in Zusammenhang mit durchfallähnlichen Erkrankungen gebracht werden können – allesamt wären diese als „Allerweltskeime“ zu bezeichnen – kam bei einigen Tieren auch der opportunistische Keim Pantoea agglomerans vor. Bei immungeschwächten Individuen führt eine Infektion am häufigsten zu einer Pneumonie (Lungenentzündung), wobei sich der Keim aber auch in anderen Organen etablieren kann  und dort zu teils heftigen Entzündungen führt.

Bei insgesamt elf Feldhasen wurden Doppelinfektionen bestätigt, was den Verdacht erhärtet, dass die Hasen grundsätzlich zwar in einem guten phänologischen, jedoch in einem mäßigen physiologischen Zustand sind und dadurch tendenziell anfälliger werden gegenüber „Allerweltskrankheiten“.

Weiterhin wurden die Feldhasen virologisch untersucht. Mittels einer serologischen Blutuntersuchung konnte eine EBHS – Prävalenz von 57,1 Prozent festgestellt werden. (European brown hare syndrome = virale Leberentzündung). Makroskopisch war keiner der Hasen an der Infektion akut erkrankt. Das Ergebnis deutet darauf hin, dass die Hasen zwar Kontakt zu dieser Krankheit hatten, allerdings nicht daran erkrankt sind. Das Ergebnis mit einer mittleren Prävalenz ist vermutlich auf einen Seuchenzug der EBHS im Jahr 2004 zurückzuführen, der durch die Zählungen sehr deutlich dokumentiert ist (Daten M. Meyer). Im Jahresverlauf 2004 hat die Virusinfektion bei den Feldhasen im Raum Oettingen zu erheblichen Bestandseinbrüchen geführt, wobei die Feldhasen aktuell nicht als akut gefährdet angesehen werden können und das andauernde Bestandstief nicht mit der EBHS in Zusammenhang zu sehen ist.

Im Rahmen der Untersuchung wurde auch geprüft, ob die Reproduktionsrate der Häsinnen reduziert ist und sich daraus möglicherweise ein populationsdynamisches Problem ergibt. Zum  Nachweis der Reproduktion in der letzten Reproduktionsperiode wurde eine Färbung der Uteri zum Nachweis der Plazentationsstellen durchgeführt. Von 14 weiblichen, adulten (älter als ein Jahr) Tieren stand der Uterus für die Untersuchung zur Verfügung. Die Reproduktionsrate erscheint mit durchschnittlich acht (max. elf; min. ein) gesetzten Jungen pro reproduzierendem Muttertier im Normalbereich gelegen. Bei drei Häsinnen konnten keine Plazentationsstellen nachgewiesen werden; bei zweien dieser Tiere wurden Entzündungen des Uterus festgestellt.

Zusammenfassend ist zu manifestieren, dass der Jungtieranteil von ca. 33 Prozent für eine Jagd im Oktober sehr gering ist. Dieser Wert könnte möglicherweise auf Grund der relativ geringen Stichprobenanzahl verzerrt sein, allerdings sind besonders schlechte Aufzuchtbedingungen im Jahr 2011 nicht als Erklärung ausreichend. Anhand der Reproduktionsdaten kann man darauf schließen, dass die Reproduktion in der Norm liegt, allerdings die Jungtiere nicht bis in den Herbst überleben.

Die nachgewiesenen Keime in den Därmen deuten auf eine Verschiebung der normalen Darmflora (Dysbakterie) hin. Die gefundenen Keime können bei so empfindlichen Tieren wie Hasen zu heftigen Darmentzündungen führen, vor allem wenn diese durch andere Umstände/Ereignisse geschwächt sind, oder die Darmschleimhaut durch, z.B. Parasiten, geschädigt ist.

Bei 32 (65 Prozent) Tieren konnte ein hochgradiger Befall mit unterschiedlichen Parasiten festgestellt werden.

Parasitosen gelten als opportunistische Infektionen, die sich zumeist bei durch andere Umstände geschwächten Tieren stark vermehren und auch zum Tod führen können.

Die bisher erhobenen Befunde deuten auf multifaktorielle Geschehen hin, welche in ihrer Gesamtheit zu einer Abnahme der Hasenpopulation führen.

Weitere pathologische Untersuchungen zur Konsolidierung der erhobenen Daten, sowie Berücksichtigung und Erhebung von Umgebungsbedingungen sollten in Betracht gezogen werden, um mögliche immunschwächende Faktoren zu eruieren.

Telemetrische Untersuchungen
Dass eine sprunghaft erhöhte Prädatorenpopulation in der Region Oettingen zu der aktuellen „Feldhasenmisere“ geführt hat, kann weitgehend ausgeschlossen werden, da aufgrund von Streckenberichten und Zählergebnissen (Daten M. Meyer und R. Walch) keine Hinweise dazu vorliegen. Auch die klimatischen Verhältnisse sind nicht als Ursache für den lang anhaltenden Tiefstand heranzuziehen, da die Dynamik der Population sich nicht mit den jährlich vorherrschenden Witterungseigenheiten in Korrelation bringen lässt.

Um das Raum-Zeitverhalten und die Mortalitätsursachen zunächst bei adulten Feldhasen zu analysieren, konnten in den Jahren 2011 und 2012 insgesamt 26 Feldhasen mit VHF-Sendern ausgestattet werden. Die Telemetrie fand überwiegend in den Revieren Heuberg (n = 15; R. Walch) und Munningen (n = 11; R. Stoll) statt. Insgesamt sind bisher ca. 1100 Punktdaten der Feldhasen in der Datenbank eingetragen, wobei die Arbeiten noch nicht ganz abgeschlossen sind, da einige Sender noch Daten liefern.

Die Arbeit mit Radiotelemetriesendern erfordert einen hohen Arbeitsaufwand, da nur Daten gewonnen werden, wenn Bearbeiter vor Ort eine Kartierung vornehmen. Die Daten in diesem Projekt wurden vorwiegend durch Herrn Rupprecht Walch (Revier Heuberg) und Familie Renner (Revier Munningen) erhoben. Aufgrund der Arbeitsbelastung wurden die meisten Daten in den Vormittags- und frühen Nachmittagsstunden gewonnen, wobei die Hasen dann überwiegend in der Ruhephase  sind. Vormittags zwischen 09:00 h und 12:00 h ist die Aktivität deutlich höher und liegt bei ca. 14 Prozent. Zwischen 12:00 h und 18:00 h waren nur 2,5 Prozent der Hasen in Bewegung oder konnten bei der Nahrungsaufnahme beobachtet werden.

Interessante Ergebnisse liefern für diese erste Auswertung die Informationen zur Flächennutzung. Als Ruhebiotop während der Monate März bis August spielen Wiesen ab April eine wichtige Rolle. Insbesondere im Revier Munningen sind noch extensiv genutzte Wiesenflächen vorhanden, die durch den regionalen Vogelschutz unter anderem zur Erhaltung der Brutbestände des Großen Brachvogels betreut werden, wichtige Lebensräume für den Feldhasen. Im Monat März werden in allen Gebieten die meisten Sassen in gepflügten, scholligen Ackerflächen gefunden und auch frisch bearbeitete bzw. eingesäte Äcker sind für den Feldhasen als Ruhebiotop geeignet. Feldgehölze bieten in der vegetationsarmen Zeit ebenfalls wichtige Rückzugsräume, deren Bedeutung mit aufwachsenden Feldfrüchten deutlich zurückgeht. Abgelöst werden Feldgehölze in ihrer Bedeutung durch den aufwachsenden Mais, dessen Bedeutung gerade nach dem Abernten anderer Feldfrüchte gerne als Ruhehabitat aufgesucht wird – ein deutliches Zeichen für den Verlust an Ruhe und Deckung in der heutigen Agrarlandschaft. Auffällig ist bei der Studie, dass offensichtlich und trotz großer Verfügbarkeit das Getreide nur im Monat Mai während der Wuchsphase genutzt wird. In den Sommermonaten Juni und Juli meiden die Hasen die Getreidefelder, während der Zwischenfruchtanbau sich aus Sicht der Feldhasen tatsächlich zu lohnen scheint. Sobald die ersten Zwischenfrüchte (in der Regel Senf) eingesät sind, finden sich die Feldhasen dort ein.

In der grafischen Darstellung bleibt die Nutzungsform Wildacker weniger augenfällig, allerdings ist zu berücksichtigen, dass Wildackerflächen ein „rares Gut“ in der Landschaft sind. Trotz der geringen Verfügbarkeit konzentrieren sich viele Beobachtungen auf die Wildackerflächen, so dass diese die höchste Habitatpräferenz neben den extensiven Wiesen und den grobscholligen Äckern und Feldgehölzen im Winter aufweisen.

Der Feldhase wird mit einem VHF-Sender ausgestattet, der Daten zu seinen Bewegungsmustern liefert.
Für die Studie wurden Feldhasen gefangen, vermessen und mit einem VHF-Sender ausgestattet.
Dr. Daniel Hoffmann (links) bei der Besenderung eines mit Netz gefangenen Hasen.

Grundsätzlich ist festzustellen, dass die Feldhasenindividuen überwiegend sehr standorttreu sind, wobei einige Individuen deutlich größere Homeranges nutzen. Aufgrund der bisherigen Datenlage sind die Streifgebiete zunächst für nur zehn Hasen dargestellt. Bei fünf Hasen in Munningen ist ein Rammler auffällig aktiv. Im Beobachtungszeitraum nutze er einen Gesamtraum von ca. 96 ha, während die vier anderen relativ konstant ein Territorium von ca. 30 ha nutzen.

Drei Feldhasen aus dem Revier Heuberg zeigen eine etwas andere Homerangenutzung. Drei der fünf näher analysierten Hasen bewegen sich in einem Streifgebiet von 20 ha oder kleiner. Allen diesen Hasen ist gemein, dass sie das einzig vorhandene Feldgehölz temporär als Tageseinstand nutzen. Die beiden Feldhasen, die diese Habitatstruktur nicht nutzen, sind wesentlich weiträumiger aktiv und beanspruchen Räume von 47 bzw. 59 ha. Das Vorhandensein von dauerhaften Deckungsstrukturen bestimmt demnach  den Aktionsraum eines Hasen.

Die Telemetrie der Feldhasen ermöglicht es, dass auch Mortalitätsursachen präzisiert werden. Als bisheriges Ergebnis ist grundsätzlich festzuhalten, dass adulte Individuen zunächst eine relativ hohe Überlebenswahrscheinlichkeit besitzen. Bisher hat sich die Studie aufgrund der eingesetzten Technik und des möglichen Arbeitsaufwandes ausschließlich auf erwachsene Tiere beschränken müssen. Bei einer Gesamtstichprobe von 26 adulten Feldhasen haben mit hoher Wahrscheinlichkeit 48 Prozent (n = 11) sicher überlebt.  Ein Hase ist dem Straßenverkehr zum Opfer gefallen und bei dreien kann die Todesursache nicht eindeutig bestimmt werden. Aufgrund von drei Senderausfällen kann hier nicht bestimmt werden, ob die Tiere überlebt haben. Raubwild hat in der Untersuchungsregion aufgrund der intensiven Bejagung der Prädatoren einen eher geringen Einfluss auf die Überlebensrate von adulten Hasen. Damit ist der generelle Prädatoreneinfluss nicht in Abrede zu stellen, da zu erwarten ist, dass in der Aufzuchtzeit beim Jungwild mit den höchsten prädationsbedingten Verlusten zu rechnen ist.

Als Verlustursache Nummer eins für Althasen ist der landwirtschaftliche Maschineneinsatz. Insgesamt sind 23 Prozent der Senderhasen durch direkten Geräteinsatz oder in einem Fall durch das Abfahren von Erntegut mit Großgeräten auf dem Feld zu Tode gekommen. Die zunehmende Nutzung schneller Hochleistungsmaschinen mit großen Arbeitsbreiten kann demnach auch für erwachsene Feldhasen zu einer erhöhten Mortalität führen. Ob dies zu den regionalen Einbrüchen bei Feldhasenpopulationen in den letzten Jahren geführt hat, kann derzeit nicht abschließend beurteilt werden. Es müssen dringend weitere Daten zur Überlebenswahrscheinlichkeit von Junghasen gewonnen werden und es sind größere Stichproben erforderlich, um die hier kurz vorgestellten Ergebnisse statistisch weiter abzusichern.

Verteilung der Telemetriedaten nach Tageszeiten
Ruhe und Aktivität der telemetrierten Feldhasen in den Vormittags- und Nachmittagsstunden

Prozentuale Nutzung der Haupthabitate im Untersuchungszeitraum März bis August

Todesursachen und Überlebensrate bei 26 telemetrierten Feldhasen im Nördlinger Ries

Ausblick
Ob Feldhasen, Fasan, andere Niederwildarten und Bodenbrüter sich in den kommenden Jahren auf die neuen Bedingungen in der Landschaft einstellen können, bleibt abzuwarten. Aktuell spricht der Verlauf der Jagdstreckenentwicklung von Hase, Fasan und Co dafür, dass mit dem Wegfall der obligatorischen Flächenstilllegung nach dem Jahr 2007 durch erheblichen Lebensraumverlust zugunsten von Bioenergieflächen ein reduzierter Aufzuchterfolg vorzufinden ist, der möglicherweise noch verstärkt ist durch ungünstige Witterungsverläufe sowie eine hohe Prädatorenpräsenz in den Flächen. Letztlich kann lokal auch eine Überjagung von Populationen den Effekt des Rückgangs beschleunigt oder verstärkt haben, wenn in manchen Revieren nicht rechtzeitig erkannt wurde, dass die veränderte Basis im Ökosystem auch eine veränderte Jagdstrategie erfordert. Dies wird jedoch nicht als Ursache für eine anhaltende Depression angesehen, denn episodisch hohe Verluste durch z.B. Krankheiten oder unangepasst hohen Jagddruck können als Einzelereignis binnen ein bis drei Jahren ausgeglichen werden, wenn die Habitate eine „normale“  Reproduktion zulassen.

Es ist zum Erhalt oder der Wiederherstellung von guten Populationszuständen vieler Niederwildarten dringend angesagt, dass Maßnahmen in der Fläche umgesetzt werden. Erste Basisarbeiten zu einem umfassenden Forschungsprojekt sind bereits im Frühjahr 2013 gelegt worden. Derzeit sind in den drei Kreisgruppen Nördlingen, Ochsenfurt und Erding des Bayrischen Jagdverbandes Untersuchungsgebiete festgelegt worden und die ersten Telemetriearbeiten konnten nun auch schon außerhalb des Nördlinger Ries beginnen. Erstmals sind auch GPS-Sender für Feldhasen im Einsatz, die eine deutlich höhere Datendichte vermitteln können. Die Firma RIFCON betreut aktuell die Telemetriearbeiten, wobei der Autor direkten Zugriff und Nutzungsrechte an den neugewonnen Daten hat.  Neben den Arbeiten zum Feldhasen sollen exemplarisch Maßnahmen und begleitende  Forschungsarbeiten durchgeführt werden, um für die Agrarlandschaft ein Konzept zu entwickeln, das mit effizientem Mitteleinsatz eine positive Wirkung für die Wildarten erwarten lässt. Auch Federwild und insbesondere die Überlebensraten von Jungwild sollen künftig näher betrachtet werden.

In einer im Wandel begriffenen Landschaft ist es unabdingbar, dass aufbauend auf dem Wissen der Jägerschaft und aus früheren Studien, aktuelle Arbeiten durchgeführt werden, denn es wäre unzulässig, Forschungsergebnisse aus früheren Jahrzehnten direkt auf heutige Situationen zu übertragen, da die Landschaft die Arten vor veränderte Bedingungen stellt, die es systematisch zu erforschen gilt. Nur so lassen sich nachhaltige Strategien entwickeln, um die Biodiversität zu erhalten.

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