Untersuchung zum Bruterfolg von Wiesenbrütern

Untersuchung zum Bruterfolg von Wiesenbrütern2019-01-11T18:58:00+00:00

Project Description

Untersuchungen auf der Halbinsel Eiderstedt

In den Jahren 2005 bis 2007 wurden auf der Schleswig-Holsteinischen Halbinsel Eiderstedt umfangreiche Brutvogelkartierungen und Untersuchungen zum Schlupf- und Aufzuchtserfolg von Wiesenbrütern durchgeführt. Der Fokus der Studien lag auf den Limikolenarten Kiebitz, Austernfischer, Uferschnepfe und Rotschenkel. Die aufwändigen Arbeiten wurden initiiert durch den lokalen Naturschutzverein sowie die Kreisjägerschaft Eiderstedt und unter der Trägerschaft des Landesjagdverbandes Schleswig-Holstein.

Die Halbinsel Eiderstedt gehört zu dem Kreis Nordfriesland und ist dreiseitig umgeben vom Wattenmeer der Nordsee. Sie hat eine Gesamtfläche von ca. 27.500 Hektar und erstreckt sich in ost-westlicher Richtung über etwa 30 Kilometer und von Norden nach Süden über ca. 15 Kilometer.

Die Halbinsel war bis etwa zur Mitte der 1990er Jahre vor allem durch die Bullenmast geprägt. Die sehr großflächig angelegten Weiden wurden reichlich durch kleine Gräben oder Sielzüge, die der Entwässerung dienen, voneinander abgetrennt, so dass die Bewirtschaftungsweise als extensiv zu bewerten ist.

BSE-bedingte Umstrukturierung
Mit dem Aufkommen der BSE-Krise kam es in zahlreichen Gebieten zu Umstrukturierungen im landwirtschaftlichen Bereich, die vielerorts zu einer Reduzierung der Grünlandnutzung führte. Viele Grünflächen wurden zu Äckern umgebrochen. Neben Hackfrüchten wie Kartoffeln werden vorrangig Mais und Weizen angebaut. Auf den ehemaligen extensiven Weiden finden sich heute oft Wiesen mit intensiver Mähnutzung. Auch die Energiewende hat einen bedeutenden Einzug gehalten und hat zu einer zusätzlichen Umstrukturierung durch massiven Maisanbau geführt.

Die Halbinsel Eiderstedt ist als typische Tieflandsregion im Naturraum der Nordseemarschen zu bezeichnen, ist mit 0,5 Prozent Gehölzanteil nahezu waldfrei und befindet sich überwiegend auf Meeresniveau. Manche Flächen liegen unter dem Meeresspiegel wodurch eine permanente Entwässerung erforderlich ist. Insbesondere die tiefen Lagen sind trotz der Umstrukturierung in der Landwirtschaft kaum ackerbaulich zu nutzen und Eiderstedt ist daher bis heute noch zu etwa zwei Drittel durch Grünlandbewirtschaftung geprägt.

Kerngebiet für Wiesenbrüter
Durch die kulturlandschaftliche Nutzung hat sich Eiderstedt über die Jahrhunderte zu einem Kerngebiet für Wiesenlimikolen entwickelt und nach vielen, teilweise bis heute andauernden Diskussionen zwischen der EU, der Landesregierung und der Bevölkerung wurde auf Eiderstedt ein Natura 2000 – Gebiet zur Erhaltung der einheimischen Vogelwelt  festgelegt. Letztlich um eigenes, wissenschaftlich haltbares Datenmaterial zu generieren, haben sich die oben genannten Vereine entschlossen, in den Jahren 2004 bis 2007 Brutvogelkartierungen nach systematischen Vorgaben durchzuführen. Auf einer Fläche von knapp 3.000 Hektar wurden in diesen Jahren Bodenbrüter in jährlich zehn Kartierdurchgängen während der Brutzeit erfasst, was eine Brutpaardichte für Kiebitz und Austernfischer von etwa 1 Brutpaar je zehn Hektar ergab. Uferschnepfe und Rotschenkel fanden sich mit 0,2 bis 0,25 Brutpaaren je zehn Hektar in deutlich geringerer Dichte. Die Ergebnisse sind unter Berücksichtigung unterschiedlicher Erfassungsmethoden gut vergleichbar mit einer Kartierung des NABU – Zentrums in Bergenhusen (Michael Otto Institut).

Die Landschaft auf der Halbinsel Eiderstedt. Die sehr großflächig angelegten Weiden wurden reichlich durch kleine Gräben oder Sielzüge durchzogen.
Auf den ehemaligen extensiven Weiden finden sich heute oft Wiesen mit intensiver Mähnutzung.
Austernfischer auf einer Wiese.
Die Untersuchungsgebiete auf der Halbinsel Eiderstedt.

Zu wenige Jungvögel
Die Kartierungen der Brutpaare für sich stellen zwar eine wichtige Datengrundlage dar, jedoch bleibt ungewiss, welchen Bruterfolg die Arten auf den Flächen realisieren können. Nur ein ausreichender Bruterfolg sichert nachhaltig die Bestände der Vogelarten und aus zahlreichen Publikationen ist bekannt, dass der Aufzuchtserfolg bei Kiebitz und Rotschenkel in einer Größenordnung von 0,8-1,0 flüggen Jungvögeln je Brutpaar liegen muss, um die Population stabil zu halten. Beim Austernfischer müssen 0,3 – 0,4 Junge je Brutpaar flügge werden und bei der Uferschnepfe sollte zur Bestandserhaltung ein Wert von 0,6 erreicht werden.

Bei einer Gelegegröße von drei bis vier Eiern mögen diese Aufzuchtserfolge zunächst als realistische Größen angesehen werden, jedoch ist durch entsprechende Untersuchungen belegt, dass trotz umfangreicher Schutzmaßnahmen und Schutzgebietsausweisungen nur selten so viele Jungvögel flügge werden, dass die Bestandssicherung gelingen könnte. Es ist also unabdingbar, dass sowohl die Brutphase als auch die Phase bis zum Flüggewerden der Jungvögel betrachtet werden muss, um zu einer Beurteilung des Zustandes der Populationen zu gelangen.

Zur Überwachung der Brutphase wurden auf Eiderstedt in den Untersuchungsjahren 2005 bis 2007 insgesamt 133 Nester mit sogenannten Thermologgern versehen, um den Schlupferfolg zu dokumentieren. Weiterhin wurden in 2006 und 2007 insgesamt 71 Küken mit 0,6 g schweren Radiotelemetriesendern ausgestattet, um diese bis zum Flüggewerden oder dem Verlustzeitzeitpunkt zu überwachen.

Überwachung des Bruterfolgs
Thermologger sind elektronische Thermometer, die neben der Temperatur auch Uhrzeit und Datum speichern, so dass ein Gelegeverlust anhand der absinkenden Temperatur im Nest zeitlich erfasst werden kann. Für diese speziellen Arbeiten wurden 3 Untersuchungsgebiete auf Eiderstedt ausgewählt, wovon eines nördlich von St. Peter-Ording in unmittelbarer Nachbarschaft zum Nordseedeich und damit dem Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer liegt und die beiden anderen sich weiter im Landesinneren in den Gemarkungen von Kating und Koldenbüttel finden. Über die drei Jahre waren knapp 60 % (n = 78) der Bruten erfolgreich, was im Vergleich zu anderen Untersuchungen einen hohen Schlupferfolg darstellt. Vergleichbare Untersuchungen in verschiedenen Naturschutzgebieten in Deutschland ergaben häufig nur einen Schlupferfolg von ca. 1/3 der Gelege. In der Gesamtschau konnten auf Eiderstedt als Hauptverlustursachen Prädation durch Raubsäuger (20%), gefolgt von Rabenvögeln, bzw. Greifen (11%) identifiziert werden. In einem Gelege waren die Eier unbefruchtet und durch landwirtschaftliche Bearbeitung inklusive Viehtritt gingen gut fünf Prozent der Nester verloren.

Erhebliche Unterschiede
Differenziert man die Ergebnisse nach den drei Untersuchungsgebieten zeigen sich erhebliche Unterschiede. Während in den Gebieten Kating und Koldenbüttel der Schlupferfolg bei ca. 2/3 liegt, erreichen die Wiesenvögel bei St. Peter-Ording nur einen Schlupferfolg von unter 20 Prozent. Das schlechte Ergebnis in St. Peter-Ording konnte zurückgeführt werden auf Verluste durch Raubsäuger (60%) und weiterhin zu 20 Prozent auf Rabenvögel, im Speziellen Rabenkrähen. Anhand von Eierschalenresten konnte der Fuchs als Hauptprädator identifiziert werden. Das Habitat in der Fläche St. Peter-Ording erschien dabei zunächst als optimal, da über 80 Prozent der Untersuchungsfläche durch extensive Rinderhaltung geprägt ist und zudem annähernd fünf Prozent als Schilfflächen aus der Nutzung genommen wurden. Um die Frequentierung der drei Untersuchungsflächen durch den Fuchs statistisch zu erfassen, wurde ein Index aus Baukartierung, differenzierter Jagdstreckenstatistik und Ergebnissen der Scheinwerfertaxation entwickelt. Auf dieser Basis konnte die Art mit hoher Wahrscheinlichkeit als Hauptmortalitätsfaktor nachgewiesen werden. Dass der Fuchs im Gebiet St. Peter-Ording trotz hoher Bejagungsintensität im Jagdbezirk selbst derart hohe Verluste gegenüber den anderen Flächen verursacht hat, ist mitbegründet durch das Jagdverbot im Nationalpark und zudem durch die Nähe des Touristenortes St. Peter-Ording. Das Städtchen hat ein ausgedehntes, strukturreiches Dünenvorland, wo die Jagd durch Befriedungen und ganzjährige hohe Touristenfrequenz erheblich beeinträchtigt ist und sehr gute Versteckmöglichkeiten für den Fuchs zu finden sind.

Hier werden Kibitzkücken mit Telemetriesendern ausgestattet.
Besenderte Kibitzkücken sollen Aufschluss zur Überlebensrate nach dem Schlupf geben.
Mit Hilfe von Thermologgern kann der Zeitpunkt des Gelegeverlustes (Temperaturabfall) und der Verursacher festgestellt werden.
Verlustursachen vor dem Schlupf in Prozent gemessen durch Thermologger.
Bruterfolge in den unterschiedlichen Revieren. In St. Peter-Ording fallen fast alle Kücken Räubern zum Opfer.
Verlustursachen nach dem Schlupf in Prozent.

Raubwildbejagung erhöht Bruterfolg
Die Untersuchungsgebiete Kating und Koldenbüttel sind durch intensive Jagd auch in den angrenzenden Revieren deutlich geringer frequentiert durch den Fuchs, so dass hier bei ebenfalls guten Habitatvoraussetzungen ein ungleich höherer Schlupferfolg realisiert werden kann.

Trotz der hohen Prädationsrate im Gebiet bei St. Peter-Ording konnte im Vergleich zu langjährig untersuchten und habitatmäßig optimierten Schutzgebieten in der Normallandschaft von Eiderstedt eine vergleichsweise hohe Schlupferfolgsrate erreicht werden. Wesentlicher Unterschied zwischen vielen deutschen Großschutzgebieten und Eiderstedt ist die auf der Nordseehalbinsel weitgehend flächendeckend betriebene Prädatorenbejagung, während in Schutzgebieten die Jagd häufig nur rudimentär oder gar nicht ausgeübt wird. Alleine die höhere Fuchsdichte in diesen faktischen Fuchsschongebieten hat dazu geführt, dass dort oftmals eine Bestandserhaltung der Wiesenbrüter nicht gewährleistet werden konnte.

Bis zum Schlupf vergehen bei den meisten Limikolen je nach Art zwischen 22 und 28 Tagen, worauf sich für die nestflüchtenden Küken noch weitere drei bis vier Wochen anschließen, bis das Flüggesein erreicht ist. Um diese kritische Lebensphase zu analysieren, wurden wie erwähnt insgesamt 71 Küken von Kiebitz, Austerfischer  und Uferschnepfe besendert und mittels Radiotelemetrie überwacht. Das Ergebnis fiel noch wesentlich ernüchternder aus als bei der Thermologgerstudie. Nur 13 Küken (18%) wurden flügge, wobei in 2006 noch 32,5 Prozent der besenderten Küken bis zum Ausfliegen beobachtet werden konnten und in 2007 lediglich 13,5 Prozent die Flugfähigkeit erlangten. Aus organisatorischen Gründen konnte die Telemetriestudie nur in den Gebieten Kating und Koldenbüttel durchgeführt werden und die Resultate unterschieden sich statistisch nicht zwischen diesen beiden Probeflächen. Es ist aufgrund der Thermologgerresultate davon auszugehen, dass aufgrund der geringen Schlupfrate auch die Kükenüberlebenswahrscheinlichkeit bei St. Peter-Ording noch geringer wäre.

Fuchs häufigster Prädator
Unter den Raubsäugern (n=29; 41%) konnte der Fuchs als häufigster Prädator identifiziert werden, jedoch sind nicht alle Senderfunde eindeutig zuzuordnen. Fünf bis sieben Prädationsereignisse konnten auf das Große Wiesel zurückgeführt werden, wobei hier in ein bis drei Fällen auch die Wanderratte in Betracht zu ziehen ist. Durch Rabenkrähen, Weihen (vermutlich Rohrweihe) und in einem Fall auch durch den Neuntöter wurden 13 Küken erbeutet (18,3%). Witterungsbedingte Verluste (Verklammen) oder Ertrinken in wassergefüllten Entwässerungsgräben wurden zehn mal nachgewiesen (14,1%).

Die Hauptverluste (59,3%) traten somit wie bei den Gelegen durch Prädation auf, wobei auch hier die Raubsäuger eine wesentliche Rolle spielen. Dass die Prädation durch Rabenkrähen oder Greife in der Agrarlandschaft Eiderstedts deutlich nachgeordnet ist, kann auf die relative Seltenheit von Ansitzwarten und Brutmöglichkeiten insbesondere der baumbrütenden Arten zurückgeführt werden.

Enge Zusammenarbeit
Auf der Halbinsel Eiderstedt ist seit dem Jahr 2006 ein EU Vogelschutzgebiet ausgewiesen, das nach einer Korrektur im Jahr 2008 nun Bestand hat. Im Zuge der Ausweisung als Natura 2000 Gebiet wurde in enger Zusammenarbeit der Jägerschaft, der Naturschutzvereine sowie der Interessensvertretung von Nutzergruppen und unter Leitung des Amtes Eiderstedt sowie dem Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume in Kiel ein sogenannter Managementplan entwickelt. Unter mehreren Punkten, die zur Erhaltung und Verbesserung der Brutvogelsituation beitragen sollen, wurde auch ein Maßnahmenblatt entwickelt, das die Intensivierung der Prädatorenbejagung für Eiderstedt vorsieht. In Anbetracht derzeit rückläufiger Wiesenvogelbestände und angesichts des Verschlechterungsverbots in Natura 2000 Gebieten, wurde ein Projekt des Landesjagdverbandes Schleswig-Holstein gestartet, das mit finanzieller Unterstützung aus Naturschutz- und Jagdabgabemitteln des zuständigen Kieler Ministeriums eine flächendeckend intensivierte Raubwildbejagung mit einem Schwerpunkt in der Fangjagd mit Lebendfallen vorsieht. Eingesetzt werden zusätzlich über 100 Betonwipprohrfallen und parallel dazu werden Brutvogelkartierungen sowie eine neue Thermologgerstudie durchgeführt, um ggf. Verbesserungen im Aufzuchtserfolg zu dokumentieren.

Bejagung von Prädatoren wichtig
Die intensive Bejagung von generalistischen Prädatoren ist ein wichtiger Beitrag zur Biodiversität unter den heutigen Kulturlandschaftsbedingungen. Daneben darf natürlich nicht die möglichst ökosystemverträgliche Nutzung der Landschaft durch die Landwirtschaft außer Acht gelassen werden. Raubwildbejagung ist ein Beitrag, den die Jäger leisten können, jedoch braucht es einer Unterstützung aller Verbände und der Politik, dass Landwirtschaft auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten so ausgeübt werden kann, dass dem Landwirt selbst die Erhaltung seines Betriebes gesichert ist. Landbewirtschaftung darf nicht nur vergütet werden, wenn Energie oder Nahrungsmittel produziert werden, sondern auch die Beiträge zum Naturschutz müssen eine nachhaltige Einkommenssicherung in Verbindung mit flexiblen Bewirtschaftungssystemen bedeuten. Dabei ist es ein großes Dilemma, wenn sich Manche darauf beschränken wollen, Artenschutz nur noch in Schutzgebieten unterschiedlicher Kategorien zu fördern. Eine solche Verinselung unserer Ökosysteme wird unausweichlich zu einem weiteren Fortschreiten der Verarmung unserer Kulturlandschaft führen.

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