Kiebitz – Vogel des Jahres 2024

Kiebitz – Vogel des Jahres 2024

Der wohl bekannteste und häufigste Wiesenvogel in Deutschland ist der zu den Regenpfeifern gehörende Kiebitz.

Text und Fotos Daniel Dr. Hoffmann

Allgemeines, Verbreitung und Gefährdung

Der wohl bekannteste und häufigste Wiesenvogel in Deutschland ist der zu den Regenpfeifern (Charadriidae) gehörende Kiebitz.

In der Unterfamilie der „Kiebitze“ (Vanellinae) gibt es weltweit über 20 verschiedene Arten, von denen sich viele in ihrer Gestalt ähneln.

Der bei uns heimische Kiebitz hat ein sehr großes natürliches Verbreitungsgebiet, das über weite Teile Europas, das südliche Russland bis hin zum chinesischen Meer reicht. Der Kiebitz ist ein Teilzieher, was bedeutet, dass einige Individuen in den Brutgebieten während des Winters verbleiben, Teile der Population jedoch in die Überwinterungsgebiete entlang der Nordsee und Atlantikküste bis nach Nordafrika ziehen.

In Europa wird der Kiebitzbestand auf ca. 320.000 bis 460.000 adulte Individuen geschätzt. Die Populationen sind deutlich rückläufig und somit gilt er in Europa gemäß der Roten Liste der IUCN (Vanellus vanellus (Northern Lapwing) (iucnredlist.org)) als gefährdet („vulnerable“). In Deutschland findet sich der Kiebitz ebenfalls auf der Roten Liste der Brutvögel und gilt als „stark gefährdet“. Alleine in den letzten drei Jahrzehnten ist der Kiebitzbestand in Deutschland um mehr als 85% eingebrochen.

Beschreibung

Der Kiebitz ist ca. 30 cm groß und aufgrund seines schillernden, metallisch glänzenden Gefieders auf der Oberseite und der weißen Unterseite mit der schwarzen Brust besonders auffällig. Unverkennbar macht ihn auch die vom Hinterkopf abstehende Federholle, die beim Männchen während der Paarungszeit eine Länge von bis zu 10 cm erreicht. Der Schnabel des Kiebitz ist im Vergleich zu den meisten anderen Watvögeln recht kurz. Seine Nahrung, die zumeist aus Würmern, kleinen Insekten und Larven besteht, findet er in feuchten und stocherfähigen Böden. Der Kiebitz ist ein visueller Jäger, weshalb sein bevorzugtes Habitat eine eher niedrigere Vegetation aufweist.

Sehr charakteristisch sind seine Balzflüge, die im Frühjahr bereits im März in den Brutgebieten zu beobachten sind. Kiebitze sind sehr gesellige Tiere, die bei intakten großen Populationen Kolonien bilden und schwarmartig auftreten. Die Kolonien sind jedoch nicht so zu verstehen, dass die Paare dicht an dicht brüten. Jedes Paar hat sein eigenes Territorium, das vom Männchen durch auffällige Imponierflüge mit Scheinattacken und den typischen Lautäußerungen verteidigt wird. Werden Kolonien des Kiebitz z.B. von Greifvögeln oder Rabenvögeln überflogen, attackieren die auffliegenden Kiebitze gemeinsam den tatsächlichen oder vermeintlichen Angreifer. Vor manchem Gelegeverlust schützt diese Abwehrstrategie.

Das Nest des Kiebitz ist sehr schlicht. Es handelt sich um eine mit Altgras und Moos leicht ausgekleidete einfache Mulde am Boden.

Nester und Gelege

Seine Nestplatzwahl ist deutlich fokussiert auf niedrig bewachsene Flächen. Extensiv bewirtschaftete und artenreiche Wiesen und Weiden sind das bevorzugte Habitat. Es werden allerdings auch Ackerflächen als Nistbiotope genutzt, wobei hier Sommergetreide und auch Maisflächen gerne auch für Nachgelege genutzt werden, da der Aufwuchs auf diesen Feldern im Mai auch noch niedrig ist. Bei 212 bzgl. der Vegetationshöhe untersuchten Nestern fanden sich 56% der Gelege in einer sehr niedrigen Vegetation bis 5 cm Wuchshöhe. Weitere 39% wurde in Flächen mit einer Vegetationshöhe von 5 bis 15 cm angelegt.

Die Eier sind erdfarben gesprenkelt und dadurch schon sehr gut getarnt. Der Kiebitz legt in der Regel vier Eier. In Untersuchungen, die die Game Conservancy Deutschland (GCD) federführend begleitet hat, lag die mittlere Anzahl von Eiern z.B. auf der Halbinsel Eiderstedt in Schleswig-Holstein bei 3,8. Eine weitere langjährige Studie der GCD in Schottland ergab eine mittlere Gelegegröße von 3,62 bei insgesamt 318 untersuchten Kiebitznestern.

Kiebitze haben, wie die meisten Limikolen, eine relativ lange Brutzeit. Diese beträgt in der Regel zwischen 26 und 28 Tagen und das Brüten wird von beiden Elternteilen übernommen.

Kommt es zu einem Verlust des Nestes, können Kiebitze einmal oder auch häufiger Nachgelege anlegen, um dadurch Verluste zu kompensieren.
Die frisch geschlüpften Küken können nach wenigen Stunden nach dem Schlupf laufen und werden von den Eltern zu den Nahrungsplätzen geführt. In den ersten Tagen müssen die Küken noch von den Altvögeln gehudert werden, da sie noch nicht zur selbständigen Thermoregulation fähig sind. Insbesondere nachts, bei niedrigen Temperaturen sowie bei hohen Niederschlägen ist das Hudern überlebenswichtig.

  • Besenderte Küken

Schlupferfolge und das Überleben der Küken

Der Kiebitz braucht zur Brut und vor allem zur Aufzucht seiner Küken feuchte Wiesen, Senken (auch auf Äckern), Gräben usw. mit gutem Zugang zu stocherfähigen, schlammigen Böden oder auch Weiden, wo der Dung der Tiere zahlreich Insekten anlockt. Kiebitze können über 10 Jahre alt werden und eine Kiebitzgeneration wird je nach Autor zwischen 6 und 9 Jahren angegeben. Ein Kiebitzpaar wird demnach mehrere Jahre an den gleichen Ort zurückkehren.
Wie bereits erwähnt brüten Kiebitze recht lange und dies in niedriger Vegetation. Dadurch sind sie auch für Beutegreifer gut sicht- und auffindbar. Unter den aktuellen Bedingungen der Kulturlandschaft mit hohen bis sehr hohen Dichten an generalistischen Prädatoren (z.B. Fuchs, Wiesel, Mauswiesel, verschiedenen Krähenvögel) und regional zusätzlichem Vorkommen von invasiven Arten wie Waschbär, Marderhund und Mink sind die Verluste bereits in der Brutphase teilweise bis zu 100%. In etlichen Gebieten und darunter auch in großen Schutzgebieten für den Kiebitz ist die Jagd auf Prädatoren eingeschränkt oder gar verboten. In der Konsequenz sind hier trotz idealer Biotopbedingungen die Schlupferfolge des Kiebitz meist unter 20% oder gehen gegen Null. Es wird nun immer wieder versucht durch Elektrozäune in den Schutzgebieten die Brut des Kiebitz zu schützen, was auch mit extrem hohen Kosten, Aufwand und dem Verbau der Landschaft mit Zäunen gelingen kann, allerdings sind damit die mobilen Küken immer noch nicht geschützt.

Kükenverluste treten bei kühler nasser Witterung zum Schlupfzeitpunkt durch Unterkühlung ein und bei höherer Weidetierdichte können Küken auch totgetrampelt werden. Die weitaus größte Verlustursache sind jedoch die Beutegreifer. In Gebieten ohne Prädatorenmanagement sind somit die Bruterfolge des Kiebitz über Jahre hinweg nicht gegeben und in fast allen Fällen weit unter dem Wert, der für die Erhaltung der Art erforderlich wäre.

Artenschutz und Erfolge

Erst wenn Biotopgestaltung und Prädatorenmanagement Hand in Hand umgesetzt werden, kann die Erhaltung des Kiebitz langfristig gelingen. Dass Kiebitzschutz erfolgreich sein kann, zeigt die GCD in ihrem schottischen Untersuchungsgebiet, wo im Durchschnitt 2,3 Küken je Nest schlüpfen und von denen fast jedes Zweite flügge wird.

Damit die Kiebitze als Art langfristig erhalten bleiben, müssen mindestens 0,7 Küken je Nest flügge werden können. Dieser Wert wird im schottischen Untersuchungsgebiet fast um das Zweifache übertroffen, was international einen absoluten Spitzenwert darstellt .

Die Lösungen sind bekannt – diese müssen nun noch großflächig und überregional umgesetzt werden zum Schutz des Kiebitz und zahlreicher weiterer Arten!

2023-11-10T17:00:56+00:00November 8th, 2023|Allgemein|