Erfolgreicher Artenschutz in der modernen Agrarlandschaft

Erfolgreicher Artenschutz in der modernen Agrarlandschaft

Unter Mitarbeit von Markus Zellinger, Franziska Zellinger und Felix Kleemann (Trifolium Consulting)

Text: Dr. Daniel Hoffmann

Einleitung und Untersuchungsgebiet

Im Rahmen des Projektes „Optimierung von biodiversitätsfördernden Maßnahmen in der Agrarlandschaft“ (kurz „Beetle Bank-Projekt“) wurden als begleitendes Monitoring neben den Insekten auch die Feldvögel während der Brutzeit sowie Feldhasen erfasst.

Eines der Untersuchungsgebiete liegt im Nördlinger Ries in der Gemarkung Birkhausen der Gemeinde Wallerstein. Das Untersuchungsgebiet wurde im Jahr 2020 zunächst auf 835 Hektar festgelegt, wurde ab dem Jahr 2021 jedoch auf 1.000 Hektar erweitert, da die Randeffekte im Gebiet durch die Anlage der Beetle Banks einen größeren Betrachtungsraum sinnvoll erscheinen ließen. Im Frühjahr 2020 wurden in Birkhausen insgesamt neun Beetle Banks angelegt und hinzu kamen weitere mehrjährige Blühstreifen. Die Beetle Banks wurde als Trennlinien und Ganzjahreslebensräume innerhalb der Felder angelegt bzw. wurden diese an den Feldrändern, in der Regel rechtwinkelig von Feldwegen wegführend errichtet und stellen somit auch Trennlinie zu benachbarten Schlägen dar. Einige der Beetle Banks werden bis heute flankiert durch mehrjährige Blühstreifen, wodurch die Maßnahme dann eine Gesamtbreite von ca. sechs bis acht Meter erhält. Isolierte Beetle Banks haben in der Regel eine Breite von Furche zu Furche von drei bis vier Meter.

In Birkhausen sind schon seit acht Jahren Gewässerrandstreifen angelegt, die den Lachgraben und den Steinbach begleiten. Diese werden nur extensiv als Dauergrünland genutzt und es erfolgt keine Düngung. Das Nördlinger Ries ist eine Ebene mit überwiegend nährstoffreichen und gut bearbeitbaren Böden. Die Region ist durch eine intensive Landwirtschaft charakterisiert, die sowohl konventionell als auch ökologisch durchgeführt wird. Im Nördlinger Ries ist der Flächenanteil an Silage-Mais sehr hoch aufgrund einer hohen Dichte an Biogasanlagen. In dieser Agrarlandschaft wird die Jagd auf Niederwild traditionell durchgeführt, wobei in den letzten Jahrzehnten die Jagdintensität auf z.B. Feldhasen, Fasane oder Rebhühner deutlich abgenommen hat. Vielerorts wurde die klassische Niederwildjagd aufgrund geringer oder wie beim Rebhuhn fehlender Besätze weitgehend eingestellt. Die intensive Landwirtschaft verringert die Habitatqualität für die Arten des Offenlandes, was einen Hauptfaktor darstellt, warum die Rückgänge der Populationen ehemals häufiger Arten flächendeckend dokumentiert ist und zwar unabhängig davon ob ökologisch oder konventionell Landwirtschaft betrieben wird. Neben dem Habitatangebot haben sich die Überlebensbedingungen für viele Offenlandarten auch durch deutlich angestiegene Bestände von potenziellen Prädatoren verschlechtert. In einigen Revieren im Nördlinger Ries blieb die Bejagungsintensität auf die generalistischen Beutegreifer, allen voran auf den Fuchs, hoch, so dass dort bis in die Gegenwart z.B. die Populationsdichte des Feldhasen stabil und überdurchschnittlich bleiben konnte. Diese hohe Jagdintensität wurde auch  im Untersuchungsgebiet Birkhausen sowie in der angrenzenden Gemeinde Maihingen seit vielen Jahren aufrecht erhalten. Da die Jagdintensivität relativ konstant hoch blieb, kann ein Absenken der Jagdstrecke als Indikator für eine reduzierte Fuchsaktivität auf der Fläche interpretiert werden. Ob der Anstieg der Jagdstrecke in den Jahren 2021 und 2022 einen kurzzeitiger Trend und eine nachhaltige Entwicklung darstellt, kann an dieser Stelle noch nicht beantwortet werden.

Abbildung 1: Untersuchungsgebiet Birkhausen mit den Grenzen 2020 und ab 2021 sowie die Darstellung der Beetle Banks und mehrjährigen Blühstreifen.

Abbildung 2: Entwicklung der Fuchsjagdstrecke in den Revieren Birkhausen und Maihingen in den Jahren 2013 bis 2022.

Abbildung 3: Rebhuhnkartierung in Birkhausen im Jahr 2021 mittels Klangattrappe.

Beetle Banks und Wildtiermonitoring

Mit der Errichtung der Beetle im Jahr 2020 wurde in Birkhausen durch die G.C.D. ein Monitoring der Brutvögel begonnen und ebenfalls eingebunden werden können die Daten der systematischen Feldhasenzählungen der Reviere Birkhausen und Maihingen. Durch die ortsansässigen Jäger wird seit dem Jahr 2017 nach den Vorgaben des WILD (WILD-Monitoring | Deutscher Jagdverband) die Zählung der Feldhasen durchgeführt. Es wurde von Beginn der Zählungen eine Wärmebildkamera eingesetzt und die Fahrtstrecke bliebt über Jahre konstant. Alle Flächen sind sehr gut einsehbar und aufgrund der Größe der abgeleuchteten Fläche von 375 Hektar im Revier Birkhausen und 420 Hektar im Revier Maihingen können die Daten einen repräsentativen Wert zur Höhe der Feldhasenpopulation liefern.

Das Brutvogelmonitoring wurde durch das Büro Trifolium Consulting (Felix Kleemann) durchgeführt und orientiert sich an den Methodenstandards zur Erfassung von Brutvögeln (Südbeck et al. 2005). Es wurden je Untersuchungsjahr vier Durchgänge durchgeführt, wobei sich die Erfassung auf die Arten Feldlerche, Wiesenschafstelze, Goldammer und Kiebitz konzentrierte. Die Erfassung des Rebhuhns wurde mittels Verhörmethode umgesetzt. In zwei Durchgängen ab Mitte März bis Mitte April wurden mittles Klangattrappen die rufenden und reviermarkierenden Hähne des Rebhuhns kartiert. Die Kartierung erfolgt in Transekten, die durch mehrere Bearbeiter synchron begangen werden.

Ergebnisse und Diskussion

Die Beetle Banks wurden im März 2020 angelegt und anschließend eingesät, so dass sie ihre Funktion als Strukturelement und Ganzjahreslebensraum in diesem Jahr erst nach der Haupt-Brut- und Aufzuchtzeit entwickeln konnten. Es ist somit davon auszugehen, dass die Brutpaarzahlen und auch die Feldhasendichten im Frühjahr 2020 die Werte der vorangegangenen Jahre widerspiegeln, wobei deutliche Schwankungen von Jahr zu Jahr der Normalzustand sind.

Rebhuhn

Im Jahr 2020 wurden keine Kartierungen des Rebhuhns durchgeführt. Erst im Jahr 2021 wurde das Rebhuhnvorkommen systematisch erfasst, nachdem die Population nach subjektiven Einschätzungen der Jäger und Landwirte lokal als deutlich ansteigend beschrieben wurde. Das Rebhuhn scheint durch die mosaikartige Anlage von Beetle Banks und von schmalen mehrjährigen Blühstreifen zu profitieren. Ob eine Brut in den Beetle Banks stattfindet, kann noch nicht bestätigt werden, aber die Revierabgrenzung im Frühjahr sowie die Nutzung während des Herbstes und Winters kann nachvollzogen werden und das Rebhuhn zeigt eine hohe Affinität zu diesen linearen Strukturen.

Die Rebhuhndichte im Frühjahr 2021 erreichte einen Wert von ca. fünf Brutpaaren je 100 Hektar. Im Vergleich dazu sind die Dichten in dem langjährigen Rebhuhnprojekt der Universität Göttingen im Landkreis Göttingen auch nach vielen Jahren der Biotopverbesserung und intensiven Forschungsarbeiten deutlich niedriger. Auf einer Fläche von dort ca. 9.000 Hektar liegt die Dichte in den besten Jahren bei knapp drei Rebhuhnpaaren je 100 Hektar und ist in den letzten Jahren auf unter zwei Brutpaare je 100 Hektar abgesunken. Sicher sind die Maßnahmen in dem Schutzprojekt in Göttingen seitens der Landwirtschaft sehr positiv zu bewerten und dadurch wird wohl das vollkommene Verschwinden der Art aufgehalten, allerdings wird die Bejagung der generalistischen Prädatoren, allen voran der Jagd auf den Fuchs, dort nur eine nachrangige Rolle beigemessen.  Während in Göttingen in einigen Revieren bis zu sieben Prozent der Feldflächen als mehrjährige Blühflächen oder Brachen zur Verfügung stehen, sind dies in Birkhausen inklusive der Gewässerrandstreifen deutlich unter drei Prozent der Ackerfläche. Dennoch sind die Dichten des Rebhuhns in Birkhausen mehr als doppelt so hoch wie in Göttingen, was einerseits in der generellen Eignung des Agrarökosystems begründet liegen kann, andererseits jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die geringere Präsenz des Fuchses in Birkhausen zurückzuführen ist. Der geringe Anteil an Bäumen in Birkhausen verhindert auch eine dauerhafte Ansiedlung des Habichts, so dass sein in vielen Studien als erheblich beschriebener Einfluss auf die Rebhuhnbesätze hier gering ist.

Abbildung 4: Entwicklung von drei Singvogelarten und dem Kiebitz in Birkhausen  in den Jahren 2020 bis 2022.

Abbildung 5: Nach den Ergebnissen einer Kontrollzählung im Frühjahr 2022 deutet sich an, dass weiterhin mit hohen Feldhasendichten zu rechnen ist.

Singvögel und Kiebitz

Die Brutpaarkartierungen der Arten Feldlerche, Goldammer, Wiesenschafstelze und Kiebitz wurde in den Jahren 2020 bis 2022 durchgeführt. Im ersten Untersuchungsjahr war das Untersuchungsgebiet mit 835 Hektar etwas kleiner als in den Folgejahren 2021 und 2022, als ca. 1.000 Hektar Kartierfläche abgesucht wurden.

Die Entwicklung der Dichten in Birkhausen ist seit 2020 sehr positiv verlaufen. Bereits im Folgejahr 2021 steigerte sich die Population der Feldlerche um ca. 65 Prozent, die der Goldammer um ca. 45 Prozent und der Wiesenschafstelze um gut 20 Prozent. Beim Kiebitz steigerte sich die Population um 55 Prozent, ging im Jahr 2022 allerdings wieder in etwa auf den Wert von 2020 zurück. Die drei Singvogelarten bleiben erfreulicherweise auch im Frühjahr 2022 auf dem hohen Level des Vorjahres und dies kann als Indiz für die erfolgreiche Aufwertung der Landschaft durch die Beetle Banks gewertet werden. Auch in den Folgejahren wird die G.C.D. die Kartierungen in Zusammenarbeit mit den Jägern und Landwirten vor Ort sowie dem Ornithologen Herrn Felix Kleemann als Monitoring fortführen.

Feldhasen

Feldhasen gilt ein hohes jagdliches Interesse, weshalb viele Jäger auch die Hege dieser Wildart konsequent betreiben. Zum Zweiten ist der Hase eine wichtige Zeigerart für eine artenreiche Feldflur. Vor einige Jahrzehnten war die Art sehr häufig und in allen mitteleuropäischen Kulturlandschaften flächendeckend verbreitet. Bereits vor vielen Singvögeln der Feldflur ging die Population des Feldhasen drastisch zurück. Regionen mit hohen Feldhasenbesätzen kongruieren oft auch mit Gebieten, in denen unter anderem typische Pflanzen und Feldvögel sowie andere Anzeiger für ein artenreiches Agrarökosystem mindestens noch in Restpopulationen vorhanden sind.

Die Ergebnisse der Feldhasenzählung in den Revieren Birkhausen und Maihingen liegen seit 2017 jeweils als Herbstzählung vor und werden als Feldhasen je 100 Hektar Zählfläche angegeben. Während im Revier Maihingen die Dichte des Feldhasen konstant um einen Wert um 45 Hasen je 100 Hektar schwankt lagen in den ersten Erfassungsjahren die Dichten im Revier Birkhausen knapp unter 30 Individuen je 100 Hektar. Erst nach der Errichtung der Beetle Banks im Frühjahr 2020 reagiert die Population schon im Herbst 2020 mit einer Steigerung der Dichte. Dies kann einerseits auf Zuwanderungen aus benachbarten Revieren beruhen, da sich aufgrund der Maßnahmen die Lebensraumbedingungen verbessert haben oder es konnten schon erste Junghasen, die später im Jahr zur Welt gebracht wurden, erfolgreich in den Beetle Banks aufgezogen worden sein. Noch deutlicher wurde der Unterschied im Herbst 2021, als die Feldhasendichten im Revier Birkhausen die im Nachbarrevier Maihingen erstmals überstiegen. Die Herbstzählung 2022 ist noch nicht abgeschlossen, aber nach den Ergebnissen einer Kontrollzählung im Frühjahr 2022 deutet sich an, dass die Steigerung der Dichte nachhaltig ist und weiterhin mit hohen Feldhasendichten zu rechnen ist.

Fazit

An den Beispielen einiger Feldvogelarten sowie dem Feldhasen konnte die G.C.D. eindrucksvoll zeigen, dass es auch im 21. Jahrhundert noch Möglichkeiten gibt, Biodiversität in der Kulturlandschaft zu erhalten und zu fördern. Habitat- und Prädatorenmanagement müssen dabei gleichermaßen stringent verfolgt und umgesetzt werden. Grundlage ist die Kombination der Bereitstellung von mosaikartig verteilten Ganzjahreslebensräumen und die Reduktion der Frequenz der generalistischen Prädatoren insbesondere während der Brut- und Aufzuchtzeit auf den Flächen. Unterbleibt z.B. eine zielorientierte Beutegreiferbejagung, wird der Bedarf an Habitaten in der Fläche so groß, dass dies wiederum nicht vereinbar ist mit einer effizienten Bewirtschaftung der Flächen durch die Landwirtschaft. Einige Autoren, die eine intensive Jagd auf generalistische Prädatoren ablehnen, empfehlen daher Blühstreifenbreiten von mindestens 20 Metern (– Rebhuhnschutzprojekt im Landkreis Göttingen). Dies ist in vielen Agrarlandschaften Mitteleuropas gar nicht möglich, da die Landwirtschaftsflächen dadurch jedes Maß an Wirtschaftlichkeit unterschreiten und weder die EU noch die Mitgliedsstaaten dies in angemessener Weise entschädigen könnten.

Dass Erfolge jedoch auch mit weit geringeren Flächenansprüchen zu realisieren sind, hat die G.C.D. einerseits durch das Beetle Bank Projekt gezeigt und andererseits auch in dem Musterbetrieb Gut Hardegg in Niederösterreich nachgewiesen. Biodiversität in der Kulturlandschaft erhalten und schaffen ist auch heute noch möglich, wenn die richtigen Maßnahmen getroffen und kombiniert werden. Von der Bodenfauna über Insekten, zu Vögeln und Säugetieren kann die Artenvielfalt gesteigert werden auch wenn eine intensive Landwirtschaft betrieben wird, die die Ernährungsgrundlage zu sichern hat. Der Flächenbedarf dazu ist gering und es muss unabhängig von ökologischer oder konventioneller landwirtschaftlicher Betriebsführung betrachtet werden, denn für einen Prädatoren spielt die Art der Bewirtschaftung keine Rolle und die mosaikartig verteilten Ganzjahreslebensräume fehlen leider im Normalfall in beiden Produktionsweisen. Das Projekt „Optimierung von biodiversitätsfördernden Maßnahmen in der Agrarlandschaft“ wurde gefördert aus Mitteln des Bayrischen Staatministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

2022-12-01T11:59:33+00:00Dezember 1st, 2022|Allgemein|