Feldvogelzählung im Winter 2022

Feldvogelzählung im Winter 2022

In Zusammenarbeit mit Gut Hardegg und dem Game & Wildlife Conservation Trust, UK

Text: Dr. Daniel Hoffmann

Die Feldvogelzählung im Spätwinter 2022, die auch im Magazin VÖGEL 1/2022 beworben ­wurde, ist ein Beispiel für den Versuch einer möglichst großräumigen Erfassung von Wintervögeln in der Feldflur. Nach dem Vorbild des britischen Game and Wildlife Conservation Trust (GWCT), der im Jahr 2014 begonnen hat, Feldvögel nach einem einfachen Schema durch eine möglichst große Anzahl an Freiwilligen aus naturaffinen Berufen zählen zu lassen, wurde das System nach und nach auch für den deutschsprachigen Raum in Mitteleuropa angepasst. Vor allem das Gut Hardegg in Niederösterreich ist als Vorreiter der Erfassung der Winterpopulationen von Feldvögeln in Österreich und Deutschland anzusehen. Schwerpunkt der Erfassungen liegt bei den Vögeln der Offen- und Halboffenlandschaften, wobei auch Parks, Gärten, Gewässer und Wälder als Zählkulisse willkommen sind. Dass der Fokus auf den Feldvögeln liegt, begründet sich ein Stück weit darin, dass diese im Vergleich zu den Waldvögeln in den vergangenen vier Jahrzehnten um durchschnittlich etwa 50 Prozent abgenommen haben, woraus sich eine besondere Verantwortung gegenüber diesen in Bedrängnis geratenen Spezies ableiten sollte. Hierunter fallen sehr viele Arten, die ehemals als „Allerweltsarten“ galten und mit fortschreitendem 21. Jahrhundert bis zum regionalen Verschwinden reduziert sind. Die Sensibilisierung der Landnutzer und gerade auch der Landwirte für das Thema des Vogelschutzes begründet Dr. Roger Draycott vom GWCT damit, dass „Landwirte als Hüter des größten Singvogellebensraumes eine entschei­dende Rolle für das Überleben der Feldvögel im Land spielen.“

Methode für jedermann

Ein einfaches und praktikables System zur Erfassung von Feldvögeln ist Voraussetzung dafür, dass Naturnutzer und Naturliebhaber in ausreichender Stichprobengröße an einer solchen Erhebung teilnehmen können. Kartierungen nach strengen wissenschaftlichen Regeln sind zu aufwendig und sind für die Nichtfachleute weder vom Zeitaufwand noch von den professionellen Anforderungen her nicht umsetzbar. Ziel ist es, dass zum einen möglichst viele Kartierer teilnehmen und dass diese auch über mehrere Jahre an dem Programm mitarbeiten. Damit die Daten eine Vergleichbarkeit erreichen und auch über Jahre eine Grundlage für ein Monitoring sein können, sind gewisse Methodenstandards erforderlich und müssen eingehalten werden. Das System des „Big Farmland Bird Count“ erfordert die Dokumentation der Beobachtungen in einem standardisierten Erfassungsbogen. Hier werden Angaben zum Kartierer, zur Örtlichkeit sowie der einsehbaren Habitate und der Witterung abgefragt. Die Zählungen erfolgen ausschließlich innerhalb der vorgegebenen Terminen zwischen Anfang bis Mitte Februar. Im Jahr 2022 lag dieser Zeitraum zwischen dem 4. und 20. Februar. Letztlich ist der abgegebene und korrekt ausgefüllte Bogen entscheidend. Um eine Zuordnung und spätere Auswertung des Erfassungsbogens zu gewährleisten, müssen Datum und Örtlichkeit erkennbar sein. Daneben wird eine grobe Beschreibung der vom Beobachtungspunkt aus einsehbaren Habitaten gefordert, was ebenfalls für die Datenauswertung von Bedeutung ist, wenn in vereinfachter Weise Aussagen zu Habitatpräferenzen der Vögel getätigt werden. Auf dem Erhebungsbogen sind regelmäßig vorkommende und am häufigsten zu erwartende Feldvögel vorgegeben, deren Anzahl dann im Bogen zu vermerken ist. Eine solche Auswahl kann auch aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht umfassend sein, weshalb zusätzliche Beobachtungen von nicht genannten Arten handschriftlich einzutragen sind.

Die häufigsten Feldvogelarten

Kohlmeise (Parus major) Größe: 13,5 bis 15 Zentimeter
Aussehen: Kopf schwarz, Wangen weiß, Unterseite gelb mit schwarzem Längsstreifen, blaue Flügel mit weißer Binde
Vorkommen: Misch- und Laubwälder, Parks und Gärten
Haussperling (Passer domesticus) Größe: 14 bis 16 Zentimeter
Aussehen: Männchen: schwarze Kehle, grauer Scheitel und Wangen, braune Kopfstreifen. Weibchen: bräunlich grau
Vorkommen: Menschliche Siedlungs­räume und landwirtschaftliche Flächen
Blaumeise (Cyanistes cearuleus) Größe: 11,5 Zentimeter
Aussehen: Blauer Scheitel, weiße Wangen, blaue Flügel- und Schwanzfedern, leuchtend gelbe Brust
Vorkommen: Misch- und Laubwälder, Parks und Gärten
Wacholderdrossel (Turdus pilatis) Größe: 22 bis 27 Zentimeter
Aussehen: Kopf grau, Brust ockergelb, Flügel dunkelbraun, Unterseite weiß mit dunklen, dreieckigen Flecken
Vorkommen: Laub- und Mischwälder, Parkanlagen, Feldgehölze und Gärten
Amsel (Turdus merula) Größe: 23 bis 29 Zentimeter
Aussehen: Männchen: schwarz, Schnabel und Augenring gelb. Weibchen und Jungvögel: braun
Vorkommen: Laub- und Mischwälder, Parkanlagen, Feldgehölze und Gärten
Buchfink (Fringilla coelebs) Größe: 14 bis 16 Zentimeter
Aussehen: Männchen: Brust rostrot, Nacken und Scheitel blaugrau, weiße Flügelbinden. Weibchen: grünlich graubraun
Vorkommen: Wälder, Siedlungen, Parks und Gärten, Kulturlandschaften
Stockente (Anas platyrhynchos) Größe: 50 bis 60 Zentimeter
Aussehen: Prachtkleid Erpel: Kopf metallisch grün, Flügelspiegel metallisch blau, Erpellocke. Schlichtkleid: wie Weibchen braun-grau gesprenkelt
Vorkommen: Auf fast jedem Gewässer
Stieglitz (Carduelis carduelis) Größe: 12 bis 13,5 Zentimeter
Aussehen: Kopf rot-weiß-schwarz, Rücken braun, Flügel und Schwanz schwarz, gelber Flügelstreif, Bauch hell
Vorkommen: Feldsäume, Brachen und Obstwiesen
Türkentaube (Streptopelia decaocto) Größe: 29 bis 33 Zentimeter
Aussehen: Beige-graues Gefieder. Oberseite staubbraun, Brust rötlich, schwarzer Nackenring
Vorkommen: Siedlungen mit lockerem Baumbestand

Teilnehmerzahl verdoppelt

Die Feldvogelzählung wurde in Österreich im Jahr 2017 unter der Federführung des Gutes Hardegg im deutschsprachigen Raum begonnen. In den ersten Jahren beteiligten sich lediglich 30 bis 50 Teilnehmer an der jährlichen Erfassung, wobei das System zu diesem Zeitpunkt in Deutschland und Österreich weitgehend unbekannt war. Mit der Einführung von Singvogelschulungen auf Gut Hardegg und einer intensivierten Öffentlichkeitsarbeit wuchs die Beteiligung in 2021 sprunghaft auf 188 auswertbare Erfassungsbögen und im Jahr 2022 konnte diese Zahl wiederum fast verdoppelt werden, sodass 359 Bögen in die Auswertung eingehen konnten (siehe Tabellen). Es wurden damit in diesem Jahr insgesamt über 30.000 Individuen gezählt, was einer durchschnittlichen Vogelanzahl von knapp 84 erfassten Individuen je Datenblatt entspricht. Die Möglichkeit, dass neben den vorgegebenen Arten weitere Arten ergänzt werden können, wurde sehr zahlreich genutzt. Die Gesamtartenzahl für das Jahr 2022 beträgt 121 Vogelarten, wobei als domestizierte Arten Hausente und Straßentaube einbezogen sind. Zudem wurde die Aaskrähe als eine Art gewertet und nicht in Nebelkrähe und Rabenkrähe differenziert. Letztgenannte Zusammenfassung wurde erforderlich, da nicht immer eindeutig ersichtlich war, welche Spezies beobachtet wurde. Auch zum Teil regionale Besonderheiten oder sehr selten gewordene Arten wurden erfasst wie zum Beispiel die Großtrappe, der Raubwürger, der Blutspecht, die Korn­weihe und einige weitere Arten.

Geografische Unterschiede

Die zehn am häufigsten nachgewiesenen Arten machen 54 Prozent der Gesamtzahl der dokumentierten Individuen aus (n = 16.344). Die Auswahl der häufigsten Vögel führt die Graugans mit über 2.100 Individuen an, Platz 2 belegt die ­Kohlmeise mit über 2.000 Individuen. Sowohl die Aas- als auch die Saatkrähe befinden sich unter den zehn häufigsten Arten neben der Stockente, den beiden Sperlingsarten sowie Star und Wacholderdrossel.
Die Erhebungen wurden über das Gut Hardegg in Niederösterreich intensiv beworben. Außerdem erfolgte die Erfassung über „VÖGEL“ mit einer weitgehenden Verbreitung in Deutschland. Die beiden Datensätze wurden zusammengeführt, enthalten jedoch deutliche geografische Schwerpunkte entsprechend der Umfrageverteilung. Während in der Schwerpunkterfassung in Niederösterreich klassische Singvogelvertreter der winterlichen Feldflur am häufigsten auftreten, sind in Deutschland Gänse und Rabenvögel mit je zwei Arten und die Stockente unter den zehn häufigsten Arten. Stellt man die Rabenvögel gesondert dar, bleiben in Deutschland noch vier kleinere Singvogelarten unter den zehn häufigsten Arten, während in Österreich neben der Graugans, der Saatkrähe und der Stockente ausschließlich kleinere Singvögel die Häufigkeitsliste anführen.
Diese Unterschiede rühren einerseits daher, dass in Niederösterreich teils noch Niederwildreviere mit hohen Besätzen an Fasanen, Feldhasen und Rebhühnern vorhanden sind. Von einer intensiven Niederwildhege mit entsprechender Gestaltung von landwirtschaftlichen Flächen und einer teils intensiven Bejagung generalistischer Prädatoren profitieren stets auch Arten, die nicht Ziel einer jagdlich orientierten Förderung sind. Im Vergleich der österreichischen mit den überwiegend deutschen Ergebnissen, wurden 25-mal häufiger Fasane nachgewiesen und mehr als viermal häufiger Rebhühner. Dennoch bleiben geografische Aspekte bei Teil­ziehern und Zugvögeln von entscheidender Bedeutung für die winterliche Verteilung der Arten.

Teilnahme ausweiten

Um hier präzisere Aussagen tätigen zu können, sollte die Stichprobe vergrößert und die geografische Differenzierung der Daten künftig weiter präzisiert werden. Trotz der geografischen Differenziertheit der Daten, können mit dem „public science“-Projekt der Feldvogelerfassung nach dem Muster des „Big Farmland Bird Count“ bereits heute einige Arten über eine Zeitachse von sechs Jahren beurteilt werden. Aufgrund der sehr divergierenden Stichproben kann dies derzeit nur unter Vorbehalt und für häufige Vogelarten vorgenommen werden, allerdings lässt dies den Wert der Daten für die Zukunft erkennen. Das Vorkommen von Vogelarten im Spätwinter in den Offenland- und Halboffenlandregionen Mitteleuropas zu dokumentieren, sollte das mittelfristige Ziel des Programmes sein.
Die Daten aus den Jahren 2017 bis 2021 stammen überwiegend aus der Region Niederösterreich, die aus der Initiative des Gutes Hardegg entstammen. Unter Berücksichtigung aller Daten zwischen 2017 bis einschließlich 2022 kann für einige Arten eine Entwicklung des Wintervorkommens abgeleitet werden. Um eine Vergleichbarkeit der Daten herzustellen, bedarf es einer Indexbildung, da die Stichproben der Jahre so unterschiedlich sind. Hierzu wurde die Zahl der dokumentierten Individuen mit der Anzahl der Erfassungsbögen aus dem jeweiligen Erhebungsjahr dividiert. Somit können die gezählten Individuen je abgegebenem Erfassungsbogen verglichen werden.

Auf und Ab

Für die Amsel und die Wacholderdrossel kann nach diesem Datensatz ein stabiler Winterbesatz abgeleitet werden und beim Haussperling deuten sich mehrjährige Schwankungen an, welche aktuell jedoch nicht interpretiert werden können. Rückläufig sind nach den Datensätzen die Vorkommen von Stieglitz und Feldsperling.
Solche Ergebnisse sind für den langfristigen Schutz der Arten von hoher Bedeutung und damit wird der Wert eines solchen Datensatzes sichtbar. Mithilfe dieser Monitoringdaten kann ein Beitrag zu einem Frühwarnsystem entstehen, das Veränderungen für zahlreiche Vogelpopulationen dokumentieren kann. Nicht immer wird ein tatsächlicher Rückgang der Arten die Ursache für Veränderungen sein, denn auch Verlagerungen von Rastgebieten können hier eine Rolle spielen, die klimabedingt im Wandel sind und sein werden. In jedem Fall dienen die Hinweise aus einem vieljährigen und weiter ausgebauten winterlichen Feldvogelmonitoring nach dem geschilderten Muster dazu, Veränderungen in der Vogelfauna frühzeitig, großräumig und mit überschaubarem Aufwand darzustellen.

Die Ergebnisse der Feldvogelzählung 2022

Erst Kampagnen in verschiedenen Medien machten die Feldvogelzählung Erfolgreich. Auch die Anzahl der gezählten Vogelarten sowie der
Individuen nahm damit sprunghaft zu.
Nach anfänglichen Startschwierigkeiten, konnte in den Jahren 2021 und 2022 die Bekanntheit der Feldvogelzählung gesteigert werden und damit stiegt auch die Teilnehmerzahl an.
Die Auflistung der Häufigsten Vogelarten zeigt die Generalisten an der Spitze.Die 30 häufigsten Vogelarten der Feldvogelzählung 2022, angeführt von der Graugans bis hin zum Kleiber.
Der Vergleich der Häufigsten Singvögel zeigt Trends in den einzelnen Populationen. Bis auf die Wacholderdrossel nahm die Anzahl der gezählten Individuen pro Fläche ab.

Nehmen Sie auch 2023 an der Feldvogelzählung teil!

Nehmen Sie sich dafür in der Zeit vom 3. bis 19. Februar 2023 eine halbe Stunde Zeit, und notieren Sie an einem Ort Ihrer Wahl, der die genannten Kriterien erfüllt, alle Vögel auf dem abgedruckten Zählzettel. Ergänzen Sie auch Ort, Datum, Wetterlage, Landschaftstyp usw. Vergessen Sie nicht, den Zählzettel an uns zu senden!

Download Fragebogen

Übermittlung der Ergebnisse

Bitte mailen, faxen oder senden Sie den ausgefüllten Fragebogen per Post an die Game Conservancy Deutschland e.V.

Email:              sekretariat@gameconservancy.de

Fax:                  +49 (0) 9082 96 94-19

Postanschrift:   Game Conservancy Deutschland e.V.

Schlossstraße 1

86732 Oettingen in Bayern

2022-11-17T11:34:07+00:00November 17th, 2022|Allgemein|