Erhöhung der Artenvielfalt im genutzten Buchenwald

Erhöhung der Artenvielfalt im genutzten Buchenwald

Kann die Artenvielfalt über mehrere zoologische Einheiten (Taxa) in europäischen Buchenwäldern durch die Kombination verschiedener Nutzungssysteme erhöht werden?

Deutsche Zusammenfassung des Originalartikels:
„Can multi-taxa diversity om European beech forest systems be increased by combining different management systems?“ – Schall, P. et al. 2020 in Journal of applied Ecology; 2020-57:1363-1375.

© Dr. Daniel Hoffmann, Game Conservancy Deutschland e.V. – anerkannter Naturschutzverein UmRG §3

Unter dem genannten Titel publiziert im Jahr 2020 eine interdisziplinäre Forschergruppe aus verschiedenen Hochschulen und Forschungszentren umfangreiche Ergebnisse zur Biodiversität in zentraldeutschen Buchenwälder. Die Studie, die bereits im Jahr 2008 begonnen wurden, wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft und den Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung
der wissenschaftlichen Forschung finanziert. Aufhänger der Arbeiten zur Biodiversität ist die weltweit kritische Situation um die Erhaltung und den Schutz von Fauna und Flora unter Bedingungen stetig wachsender Weltbevölkerung und einhergehend mit einer zunehmenden Gefährdung der natürlichen Lebensräume durch menschliche Übernutzunge. Das für Zentraleuropa entscheidende Waldbiotop ist der Rotbuchenwald, der bis heute als gesichert in seinem Fortbestand gilt und dessen ökologischer Zustand vielerorts auch in den bewirtschafteten Wäldern als gut charakterisiert beschrieben werden kann. Urwälder dieser Waldgesellschaft sind allerdings auf Restareale in den Berglandschaften der Karpaten zurückgedrängt. Motiviert durch das zunehmend wichtiger werdende Ziel zum Erhalt der Biodiversität in den Wäldern wurde vor Jahrzehnten neben dem typischen Altersklassenwald (EA = even aged forest) die naturnahe Waldwirtschaft eingeführt mit Einzelbaum- und Gruppenentnahmen (UEA = uneven aged forests). Zusätzlich zur naturnahen Waldwirtschaft wurde in den letzten Jahrzehnten auch die Forderung nach nicht bewirtschafteten Wäldern vorangetrieben (UNM – unmanaged forests) und das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft fordert im Jahr 2017 eine fünfprozentige Stilllegung aller deutschen Wälder mit dem Ziel, Biodiversität zu fördern und gleichzeitig den forstwirtschaftlichen Anforderungen bzgl. des Holzertrags auf der Gesamtfläche zu erhalten.
Die Wissenschaftler um Schall et al. (2020) untersuchten nun in 17 als EA klassifizierten Wäldern, 13 UEA-Wäldern und 13 UNM-Wäldern, gelegen in den zentraldeutschen Mittelgebirgswäldern des Hainich, des Westerwaldes und des Dün, die Biodiversität über insgesamt 14 taxonomische Gruppen, angefangen bei Bakterien und Pilzen über Gefäßpflanzen bis zu verschiedenen Insekten und Spinnen, den Vögeln und Fledermäusen (Details bei Schall et al. (2020). Die Erfassungen erfolgten jeweils durch Spezialisten nach anerkannten feldbiologischen Methoden bis hin zur DNA-Klassifizierung bei einigen Pilzen und den Bakterien. In die Studie flossen Daten von 3.652 taxonomischen Gruppen, so zum Beispiel 63.203 gesammelte Spezies der Insekten, ein, was die Aussagekraft der Arbeit unterstreicht.

Nach der komplexen statistischen Auswertung, die in der Publikation ausführlich beschrieben wird, wird die höchste multi-taxa Biodiversität in reinen Altersklassenwäldern (100 Prozent EA) nachgewiesen. Mit steigendem Anteil von UEA und UNM – Wäldern sinkt der Wert der Biodiversität gemessen über alle analysierten Taxa. Die Altersklassenwälder (EA) erzielen in Reinbeständen einen Multidiversitätsindex von 97,5 Prozent wohingegen Naturnahe Wälder (UEA) und Stillgelegte Wälder (UNM) nur Werte um 85 Prozent erreichen können. Werden die Indices für Biodiversität für die einzelnen Taxa berechnet, zeigt sich, dass unter anderem Spinnen, Käfer und Gefäßpflanzen die höchste Diversität im reinen Altersklassenwald aufweisen. Bezüglich der Gefäßpflanzen unterstützen die Ergebnisse der G.C.D. (Hofmann et al. (2017); Artenförderung im Wirtschaftswald – gameconservancy.de) ebenfalls die These, dass die Artenvielfalt der Gefäßpflanzen im Wirtschaftswald deutlich höher liegt als diejenige in stillgelegten Prozessschutzwäldern. Für die Avifauna und die Ektomykorrhiza – Pilze stellt die Studie heraus, dass die höchste Artenvielfalt erreicht werden kann, wenn die Landschaft sich aus 80 Prozent EA und 20 Prozent UNM zusammensetzt. Bei den Schnabelkerfen (u.a. Zikaden, Wanzen, Pflanzenläusen) dürfte nach den Berechnungen eine Mischung auf Landschaftsebene von 90 Prozent EA und 10 Prozent UEA ideale Bedingungen schaffen. Die Studie stellt heraus, dass ein Mischungseffekt der Bewirtschaftungsformen des Rotbuchenwaldes keineswegs zu einer Steigerung der multitaxa Biodiversität im Ökosystem Rotbuchenwald führt. Vielmehr wird dargestellt, dass entgegen vieler im öffentlichen Raum diskutierter Erwartungen, der Altersklassenwald (EA) den stärksten positiven Effekt auf eine hohe Biodiversität erhält. Die gröbere Bewirtschaftungsweise im Altersklassenwald entgegen der kleinstrukturierten, dichtbelaubten und dichtbestockten Situation in den Wäldern mit naturnaher Waldwirtschaft (UEA) und stillgelegten Wäldern (UNM) zeitigt deutliche Vorteile für die hier untersuchten Taxa insgesamt aber auch für die Arten, die als reine Waldarten eingestuft sind. Schlussfolgernd kann der hypothetische Ansatz, dass naturnahe Waldwirtschaft und eine Schaffung von nicht bewirtschafteten Wäldern die Biodiversität in Buchenwäldern fördern würden, nicht gehalten werden und ist widerlegt.
Originalartikel: Can multi-taxa diversity in European beech forest landscapes be increased by
combining different management systems? – Schall – 2020 – Journal of Applied Ecology – Wiley Online Library

2021-05-21T21:52:34+00:00Mai 20th, 2021|Allgemein|